• Europas größte Fahrradauswahl
    Editorial

    Copenhagenizing: Berlin Edition

    Sophia Willmes
    Sophia Willmes
    27. Sept. 2023 6 Min.
    Copenhagenizing: Berlin Edition

    So will Berlin fahrradfreundlicher werden

    buycycle WatchBlog: In dieser neuen Reihe werfen wir alle paar Monate einen Blick auf Entwicklungen in der Fahrradindustrie und der Cycling Culture: Von Spinning bis Copenhagenizing – wir stellen euch alle Trends und Innovationen vor. Heute: Berlin und sein Ringen mit den Radler:innen... Wie die deutsche Hauptstadt versucht, fahrradfreundlicher zu werden, erfahrt ihr in diesem WatchBlog.

    Oh, Berlin. Die Stadt, die nie schläft, die Melting Pot, Wimmelplatz von Startup-Hipstern und berlinerischen Urgesteinen zugleich ist, die Stadt, in der man sich so schnell und gerne verliert - leider aber auch auf dem Fahrrad. Asphalthölle, Großstadtdschungel, Baustellenhochburg und voller Lärm und Abgase: Das ist Berlin halt leider auch. Sehr zum Unmut seiner radelnden Bevölkerung.

    In der zweijährlichen Umfrage des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) zum Fahrradklima deutscher Städte schneidet die Hauptstadt nur ganz knapp genügend ab: Auf einer Skala von 1 bis 6 landet Berlin auf einer 4,1. Schwierig für eine Stadt, die sich so gerne als urbanes Aushängeschild Europas inszenieren würde. Woran es im Bereich der Fahrradmobilität gerade hapert und was für kluge Ideen die Berliner:innen haben, um ihre Radinfrastruktur auf Vordermann zu bringen, erkunden wir in diesem Blogpost.

    1. Stress mit Autos, Müll und Fahrraddieb:innen.

    Seit 2004 trägt die Stadt Berlin das vom ADFC verliehene Prädikat "fahrradfreundlich". So weit, so gut. Der Radverkehr hat in den letzten Jahren um mehr als 25 % zugenommen und Berlin ist das einzige Bundesland, in dem die PKW-Dichte im Vergleich zu 2022 abgenommen hat. Die Berliner:innen fahren also durchaus viel mit dem Fahrrad, so ist es nicht. Bloß müssen sie sich damit halt auch ordentlich durchbeißen.

    die Umfragenergebnisse des ADFC: Was richtig und was falsch läuft im Berliner Radverkehr

    Laut ADFC fühlen sich 88 % der Berliner Radfahrer:innen im Verkehr so unsicher, dass sie ihre Kinder nur mit schlechtem Gewissen alleine radfahren lassen würden. Konfrontationen mit Autofahrer:innen gehören zur Norm, viel zu selten wird Rücksicht auf die schwächeren Verkehrsteilnehmer:innen genommen und stattdessen einfach drauflosgehupt und -gefahren. Radwege werden von Lieferfahrzeugen und SUVs vollgeparkt, deren Fahrende "nur kurz was oder wen abholen müssen", und viel zu oft stapelt sich dann auch noch der von den Fußgängerwegen gefegte Müll ein paar Meter weiter links auf der Radspur. Und da die eh aus Sicht der Berliner Radler:innen viel zu schmal sind, wenn sie denn überhaupt mal vorhanden sind, bleibt dann fürs Fahrrad nicht mehr viel Platz.

    Und so bewerten die Berliner:innen das Sicherheitsgefühl im Straßenverkehr nur mit einer 4,7 und zu den bestehenden Problemen der impulsiven Fußgänger:innen, rücksichtslosen Autofahrer:innen, freilaufenden Hunden und abenteuerlichen Umleitungen in Baustellennähe gesellt sich das der Fahrraddiebstähle. Letztes Jahr wurden in der Hauptstadt mehr als 27.000 Fahrräder im Wert von über 25 Millionen Euro gestohlen. Hört sich nach viel an, ist es auch und bedeutet unterm Strich, dass alle zwei Wochen in Berlin knapp 7.000 Fahrräder verschwinden.

    Stolen Bicycle
    Soviele Bikes verschwanden 2022 in den Berliner Kiezen 

    Kein Wunder also, dass vermehrt auf Leihfahrräder gesetzt wird. Und das funktioniert in einer Stadt, in der fahrradtechnisch ja noch nicht soviel zu funktionieren scheint, relativ gut.

    2. Dann lieber doch ein Leihfahrrad...

    Mit (halb-)städtischen Anbietern wie NextBike oder Call a Bike aber auch dank privater Verleiher wie DonkeyRepublic ist das Stadtgebiet Berlins mehr als nur gut mit Leihstationen oder einzeln verteilten Bikes ausgestattet. Die Miete läuft simpel, schnell und kostengünstig übers Smartphone ab und so ermöglicht das Leihfahrradsystem eine unkomplizierte Berliner Fahrradmobilität, in der es für jeden Weg zu jeder Zeit ein passendes Bike gibt. Dass sich das wirklich lohnt, finden auch die Radelnden selbst, beim ADFC vergeben sie für das Berliner Bikesharing-System die Note 2,5.

    Und auch wer mal etwas mehr zu transportieren hat, kommt auf seine/ihre Kosten. Berlin ist eine der wenigen europäischen Großstädte, in der man von verschiedensten Anbietern im großen Stile Cargobikes leihen kann. Übers Smartphone geht das bei Avocargo, deren E-Lastenräder überall in Berlin verteilt sind und bei fLotte Berlin, einem ehrenamtlichen Projekt des ADFC Berlin, kann man komplett kostenlos Cargobikes aller Klassen an Stationen in verschiedenen Kiezen leihen.

    An Fahrrädern oder an Möglichkeiten an welche zu kommen, mangelt es in Berlin also nicht. An der richtigen Infrastruktur aber schon. Berlin braucht Radwege, für die man nicht mutig sein muss. Aber anders als in Städten wie Copenhagen oder Paris sind die noch nicht zur Chefsache erklärt worden.

    3. Oder doch einfach mehr Radwege?

    Dabei gibt es genügend Initiativen, die Berliner:innen kämpfen seit Jahren um sie. Auf der Plattform fixmybike gibt es eine Übersicht aktueller Projekte und deren Fortschritt, Bewohner:innen können sogar abstimmen, wo in der Stadt noch welche fahrradfreundliche Maßnahmen benötigt werden. Das vereinfacht nicht nur die Kommunikation zwischen Entscheidungsträger:innen und den Berliner:innen selbst und macht Bedürfnisse der radlenden Bevölkerung glasklar, sondern fungiert auch gut als Watchdog für die Mühen - oder eben Nicht-Mühen - der Berliner Politik.

    Deren ambitionierteste Projekt ist die Insel Gartenfeld, ein komplett neues Viertel in Berlin Spandau. Es soll von Grund auf neu gebaut und von Grund auf auf Fahrradfahrer- und Fußgänger:innen ausgelegt sein, mit Stellplätzen und Fahrradbrücken und so gut wie allem, was zum Traum einer modernen Stadt dazu gehört.

    so soll Gartenfeld einmal aussehen: Ein urbanes Paradies für Fußgänger:innen und Radfhrer:innen zugleich.

    Da sind aber auch die etwas machbareren Vorhaben, deren Realisierung in greifbarer Nähe liegt oder die kürzlich erst stattgefunden hat: Da sind die 185 Parkplätze auf der Karl-Marx-Allee, die Grünflächen und einem Fahrradweg weichen sollen, da sind die neuen geschützten Radwege an der Hasenheide, der Holzmarktstraße, der Sonnenallee und auf dem Steglitzer Damm und auch die Schönhauser Allee bekommt einen neuen Radweg mit 700 Protektionselementen, zusammen mit breiteren Gehwegen und mehr Lieferzonen. 41 S- und U-Bahnhöfe werden mit neuen Abstellanlagen und Fahrradparkplätzen ausgestattet, vor dem Schöneberger Rathaus feierte sogar das berlinweit einheitliche Zugangssystem für gesichertes Fahrradparken ParkYourBike seine Einweihung. Reinickendorf wird mit 12 neuen Kilometern Radweg beglückt und auch die Fahrradschnellstrecke von Hönow nach Spandau soll bis 2030 kommen. Hoffentlich zumindest.

    4. Die Berliner Regierung will trotzdem nicht so recht.

    Denn zurzeit scheitert es sogar an den geplanten Radwegen: Die sollen auf Geheiß der Berliner Mobilitätssenatorin, obwohl teils seit Jahren fertig konzipiert, budgetiert und abgesegnet, nochmals "überprüft und optimiert" werden. Was genau da optimiert werden soll, das scheint keine:r so recht zu wissen, überprüft wird aber die Bedrohung von Parkplätzen und bestehenden Verkehrsspuren durch die geplanten Fahrradwege. Dass das nicht gerade im Zeichen einer gesunden Verkehrswende steht, sehen auch über 13.000 Demonstrierende auf den Berliner Straßen so.

    doch kein Radweg für Reinickendorf: Obwohl komplett fertig gestellt, wurde er von der Mobilitätssenatorin blockiert.

    16 Großprojekte wurden jetzt immerhin genehmigt, was sich gut anhört, die Freude darüber relativiert sich aber, wenn man bedenkt, dass diese allesamt im Berliner Mobilitätsgesetz eh schon vorgesehen waren. Das Problem für die letzten drei Projekte, die noch auf ihre Freigabe warten, ist zudem, dass die Millionen an Fördergeldern für deren Realisierung bis Ende 2023 verfallen. Wenn bis dahin also keine Genehmigung der Berliner Stadtregierung erteilt wird, fallen diese Projekte komplett ins Wasser und mit ihnen ein doch dringend benötigter Schritt Richtung wirklich fahrradfreundlicher Stadt.

    5. Berlin auf Bikes - Wie soll das also noch funktionieren?

    Die Bereitschaft der Berliner:innen ist da, diese Stadt will Fahrradfahren. Sie will halt bloß auch, dass das ungefährlich und unkompliziert geht. Sie will ein gut ausgebautes Wegenetz, das Lust macht aufs Radfahren, die Gesundheit stärkt und ein friedliches Miteinander aller Verkehrsteilnehmer:innen fördert.

    Projekte für ein fahrradfreundliches Berlin

    Dass das durchaus möglich ist, zeigen die 342 Projekte, die aktuell für die Berliner Radinfrastruktur in Anschlag genommen werden oder bereits realisiert wurden. Es bewegt sich also etwas, was fehlt, ist die wahrgenommene Dringlichkeit dieser Projekte. Was fehlt, ist ein bisschen mehr Mut und Wille zum Anpacken der Berliner Regierung. Wenn der kommt, dann kommt auch ein fully copenhagenized Berlin.

    Egal in welcher Stadt ihr wohnt, der erste Schritt für eine fahrradfreundliche Stadt ist euer Fahrrad selber: Das findet ihr bei uns auf buycycle.com, unter den über 15.000 Rennrädern, Gravel und Mountainbikes ist nämlich auf jeden Fall eines dabei, was zu euch passt. Und wenn euer jetziges Fahrrad ein neues Zuhause sucht, könnt ihr es schnell, sicher und unkompliziert auf buycycle verkaufen. Wenn ihr noch Fragen zur Fahrradfreundlichkeit unseres geliebten Berlins habt, ist euer Team jederzeit für euch da und für alles andere rund ums Thema Fahrrad, verweilt ihr am besten noch ein wenig auf unserem Blog. Bis dahin wünschen wir euch, wie immer: Happy browsing, happy cycling.